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Vorspann
Lange Zeit waren sie ein Tabu – die zahllosen Vergewaltigungen deutscher Frauen durch Soldaten der Roten Armee nach der Eroberung Berlins im April/Mai 1945. Auch das im Sommer 1959 erstmals in deutscher Sprache erschienene „Tagebuch“ einer anonymen Zeitzeugin, das anderswo begeistert aufgenommen worden war, fand in der Bundesrepublik erstaunlich wenig Resonanz. Erst die 2003 erschienene Neuauflage avancierte im wiedervereinigten Deutschland zum Bestseller und löste kontroverse Debatten über Opfer- und Täterrollen aus, zumal die Verfasserin als Rad im Getriebe des nationalsozialistischen Propagandaapparats entlarvt und ihre Autorenschaft in Frage gestellt wurde. Yuliya von Saal, die den Nachlass der Anonyma – Marta Hillers – auswerten konnte, räumt diese Zweifel aus, kommt aber nach einer vergleichenden Analyse der verschiedenen Textvarianten zu dem Schluss, dass der Bestseller kein authentisches Zeitdokument ist, sondern ein stark literarisierter Erlebnisbericht.