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Abstract
“Wirst du an den Toten ein Wunder tun?" Es besteht ein breiter Konsens in der Bibelwissenschaft, dass die Fragen in Ps. 88:11ff rein rhetorisch sind und sich in ihnen eine grundsätzliche Distanz Gottes zu den Toten ausdrückt, ein “theologisches Vakuum," das nur an den Rändern des Kanons, in den apokalyptischen Vorstellungen der Spätzeit überwunden wird. Der Aufsatz will diesen Konsens in Frage stellen. Ausgangspunkt sind hymnische und prophetische Aussagen über Jhwhs Macht über die Scheol (Am 9:2; 1 Sam. 2:6), aber auch Psalm 88 selbst, wo die Distanz zu Gott durch Gott selbst bewirkt ist (v.7 u.a.), also auch durch ihn rückgängig gemacht werden kann. Hinter dem Konsens steht wohl ein neuzeitlich-naturwissenschaftliches Verständnis des physischen Todes, durch das die Macht des Todes in Erfahrungen wie Krankheit und Not vom “realen" Tod entgegen Sprache und Vorstellung der Bibel getrennt wird. Religionsgeschichtlich spricht alles dafür, dass mit der Entstehung eines radikalen Alleinverehrungsanspruchs des israelitischen Gottes, also wahrscheinlich seit der Zeit Elias, dieser Gott auch dem Totengott überlegen ist und also Macht über Tod und Totenreich hat. Dafür sprechen u.a. Erzählungen über Totenerweckungen und Entrückungen, aber auch israelitische Grabinschriften schon der Königszeit. Die Fragen in Psalm 88 sind also echte Fragen an Gott und enthalten in nuce die spätere Sprache der Auferstehung.