Sie befinden Sich nicht im Netzwerk der Universität Paderborn. Der Zugriff auf elektronische Ressourcen ist gegebenenfalls nur via VPN oder Shibboleth (DFN-AAI) möglich. mehr Informationen...
Wie modern, d.h. immer wieder neu und aktuell, muß ein Denken eigentlich sein, dass es fortwährend mit dem gleichen Vorwurf in die Schranken verwiesen wird — und dies über fast ein Jahrhundert? Die Substanz des Vorwurfs, will man sie einmal positiv formulieren, geht dahin, dass G. Simmels Denken eher „Anregungen zum eigenen Weiterdenken enthält“ (M. Weber, 1991, 9) als sich in methodisch gesicherten wie systematisch begründeten Ergebnissen niederschlägt. G. Lukacs’ frühes Urteil, bei G. Simmel handele es sich um einen „wahren Philosophen des Impressionismus“, dessen „grenzenlose und hemmungslose Sensibilität“ ihn zwar zu einem „blendendgeistreichen Anreger“ mache, es aber ihm untersage, ein „wirklich großer, wirklich epochemachender Philosoph“ zu werden, basiert auf eben jener immer wieder an G. Simmel festgemachten Unfähigkeit zu wissenschaftlichsystematischer Durchformung seiner Analysen. Das verhängnisvolle Diktum vom „großen Anreger“, das G. Lukacs — freilich noch anerkennend gemeint — in die Welt gesetzt hat, konnte dieser noch unter Bezugnahme auf die damalige „impressionistische Weltanschauung“ bzw. deren „Weltgefühl“ begründen. Mit Blick auf eben dieses impressionistische Weltgefühl sprach er „von einem Mangel an Zentrum, von einer Unfähigkeit zu letzthinnigen, übergangslosen Entscheidungen“, was nichts anderes heißt, G. Simmel habe die Unfähigkeit zu apriorischen Setzungen. Setzungen, die es erlauben, die Welt der Phänomene in Systemwerke einzuspannen. Was beim frühen G. Lukacs noch im Tenor positiv gestimmt war, weil er G. Simmel zumindest zum „philosophischen Geist im echtesten und unverfälschten Sinne“ (1958, 171/172) erhob, ist in vielen Urteilen über die Denkungsart G. Simmels geradezu zur Abwertung umgeformt worden.