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Die fortschreitende digitale Transformation verändert unseren Alltag. Es entstehen nicht nur komplett neue und vernetzte Elektronikanwendungen. Auch traditionelle Branchen, wie beispielsweise die Automobilindustrie, sind einem tiefgreifenden Wandel ausgesetzt. Neue Fahrzeuge müssen vermehrt die Wünsche der Kunden nach Vernetzung, Multimedia sowie autonomem und elektrifiziertem Fahren erfüllen. Diese Anforderungen bedingen den Einsatz neuer Halbleiter- und Package-Technologien. Trotz anhaltender Miniaturisierung der Elektronik ist Löten weiterhin die wichtigste Verbindungstechnologie zwischen Bauelement und Leiterplatte.Ein lebensdauerbestimmender - und damit zuverlässigkeitslimitierender - Fehlermechanismus in der Elektronik ist die Lotermüdung. Dies gilt auch gut 20 Jahre nach der Umstellung auf bleifreie Lotlegierungen. Um die Produktlebensdauer sicherzustellen, ist ein Temperaturwechseltest der Elektronik zur Validierung unumgänglich. Aufgrund der zeit-, temperatur- und spannungsabhängigen Kriecheigenschaften der Lotlegierung haben auch Parameter wie Temperaturrampe, Haltezeit oder absolute Testtemperaturen einen großen Einfluss auf die Lebensdauer der Verbindungen. Außerdem sind die Effekte der jeweiligen Parameter wegen der verschiedenen Kriecheigenschaften nicht aus Experimenten mit bleihaltigen Lotlegierungen übertragbar.In der vorliegende Arbeit werden Untersuchungen und Ergebnisse zu Lebensdauer und Fehlermechanismus von bleifreien Lotlegierungen in unterschiedlichen Temperaturwechselbelastungen präsentiert. Die experimentellen Untersuchungen verschiedener Wechselbelastungen zeigen alle einen identischen Fehlermechanismus: Es konnte gezeigt werden, dass sowohl bei langsamer Temperaturrampe, als auch bei schneller Umtemperierung der Testvehikel in heißer und kalter Flüssigkeit eine vergleichbare Ermüdung der Lötstelle stattfindet. Diese konnte über Gefügeuntersuchungen nachgewiesen werden. Die Bewertung der Ermüdung erfolgt aufgrund der Kriterien Vergröberung der intermetallischen Phasen, Rekristallisation, plastischer Deformation, Rissinitiierung und Risswachstum. Bei gleichem Fehlermechanismus haben steilere Temperaturrampen jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Lebensdauer der Lotverbindungen: Die schärfere Temperaturrampe verringert die Anzahl an Zyklen bis zum Ausfall. Zusätzlich verkürzt der schnellere Temperaturwechsel die Prüfzeit bis zum Ausfall, da die Temperaturrampe einen beträchtlichen Anteil der gesamten Zykluszeit darstellt. Ein voller Temperaturwechselzyklus besteht neben den zwei Temperaturrampen auch aus den Haltezeiten bei tiefer und hoher Temperatur. Werden die Haltezeiten im Versuch ebenfalls stark gekürzt, steigt die Lebensdauer der Verbindungen wieder signifikant an und der Effekt der schärferen Temperaturrampe wird kompensiert. Das heißt, eine insgesamt kurze Zykluszeit reduziert die Kriechdeformation im Lot und verringert so die Schädigung, die sich pro Zyklus in der Lötstelle akkumuliert.Die durchgeführten Experimente wurden ebenfalls mit üblichen Simulationsmethodiken modelliert. Für unterschiedlich lange Temperaturrampen zeigt sich eine bessere Übereinstimmung der Versuchsergebnissen mit dem Energie-basierten Simulationsmodell. Diese geben den Trend der kürzeren Lebensdauer bei schärferer Rampe im Vergleich zu Kriechdehnung-basierten Modellen korrekt wieder. Alle Simulationsmethodiken zeigen im Ergebnis eine inhomogene Schädigungsverteilung innerhalb der Lötstelle. Risswachstum konnte in dem Bereich festgestellt werden, der auch in der Simulation die höchste Belastung zeigt.Zum ersten Mal wurde in dieser Form eine breit gefächerte Parametervariation mit detaillierter und umfassender Fehleranalyse sowie einer Diskussion mit dem entsprechenden Simulationsmodell kombiniert. Die Ergebnisse dieser Arbeit stellen eine Basis dar, um die Parameter eines applikationsspezifischen Temperaturwechseltests für Elektronikprodukte zu optimieren.