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Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 2008-10, Vol.137 (4), p.419
2008

Details

Autor(en) / Beteiligte
Titel
HÄRESIE UND KRITISCHE INTELLEKTUALITÄT IN DER MITTELALTERLICHEN STADTKULTUR
Ist Teil von
  • Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, 2008-10, Vol.137 (4), p.419
Ort / Verlag
Stuttgart: S. Hirzel Verlag
Erscheinungsjahr
2008
Link zum Volltext
Quelle
Biblioscout - Franz Steiner Verlag Journals
Beschreibungen/Notizen
  • Ex his, ut arbitror, liquidum est nullam naturalem carnis delectacionem peccato asscribendam esse, nec culpe tribuendum in eo nos delectari, quo, cum peruentum sit, delectacionem necesse est sentiri.35 Aufschlußreich für die Wirkung der neuen moraltheologischen Thesen ist das von Verkürzungen nicht freie zeitgenössische Echo, wurde doch Abaelard auf dem Konzil von Sens 1140 angeklagt, weil er gelehrt habe, "dass keine Handlung, kein Wille, keine Begierde und auch kein Vergnügen, das die Handlung veranlasst, eine Sünde ist".36 Libertinistische Züge trägt im übrigen schon die Liebesauffassung Ovids in seinem Lehrgedicht 'Ars amatoria',37 das Hinweise zur Diskretion bei Seitensprüngen (II, v. 389-414), zur Erweckung von Eifersucht als "Salz der Liebe" (II, v. 425-466) und zur Überlistung der im Dienste des Ehemanns stehenden Bewacher (III, v. 611-658) enthält, die Gottfried in seiner Minnetheorie beeinflussen konnten.38 Blickt man unabhängig von der strukturellen Bedeutung Ovids etwa für die Isolde Weißhand-Handlung auf verschiedene theoretisch-digressive Passagen im 'Tristan', so kann man konstatieren, daß der Straßburger häufig als Ovidius redivivus in Erscheinung tritt und sich seine Liebestheorie partiell als Neo-Ovidianismus klassifizieren läßt. Dicere bono homini non esse peccatum peiurare et mentiri, - cum illi plus peccatum sit quam alii, Pelagii est insania, qui im peccabilem dicit hominem.45 Von hier aus fällt vielleicht ein Licht auf den falschen Eid, den Isolde im 'Tristan' beim Gottesurteil mittels der Feuerprobe schwört, um sich auf diese Weise listig vom Vorwurf des Ehebruchs reinzuwaschen, und auch auf das permanente Spiel der Lügen und Intrigen, mit dem die Liebenden, das höfische Überwachungssystem unterlaufend, die außereheliche Beziehung unter allen Umständen geheimzuhalten suchen.46 Gottfrieds kaum verhüllte Kritik am Gottesurteil konkordiert nicht nur mit Auffassungen progressiver Theologen der Zeit - Innozenz III. hat 1215 selbst die Praxis des Gottesurteils verboten -, sondern vor allem auch mit der ablehnenden Haltung der Häretiker.47 Seine ironisch- polemische Bemerkung: daz der vil tugenthafte Crist / wintschaffen alse ein ermel ist (v. 15735f.) und von jedem, der sich bittend an ihn wendet, manipuliert werden kann, verweist zunächst auf Ovid, der in seinen 'Amores'48 moniert, daß die Götter den Mädchen erlauben, falsch zu schwören, und sogar einer schönen Ehebrecherin beim Meineid beistehen. Dies ist zweifellos bei dem Akrostichon im Prolog der Fall, das schon von Hause aus durch seine Intextualität ein Zeichen für skripturale Kryptopoetik ist, hier aber zusätzlich durch Einsatz von Abbreviaturen (G für Gottfried, T und I für Tristan und Isolde) und bewußt vage Namensnennung (Dieterich) eine potenzierte Verschlüsselung, auch von Autor und Adressat, erkennen läßt78 und das zudem durch Ausdehnung des wie in einem Carmen cancellatum positionierten Intextensembles und seine Funktionalisierung als Gliederungsprinzip für den ganzen Roman ein holistisches Textsicherungssystem darstellt, mit dem vielleicht drohenden Gefahren für die Vollständigkeit und Integrität des schriftlichen Textes durch Quervernetzung begegnet werden sollte.79 Ähnlich wie sich die Inquisition bestimmter Formen der Schriftlichkeit, z.B. Verhörprotokolle und Datenspeicher mit entsprechenden Zugriffsmöglichkeiten, bedient,80 so greift auch der gegen Oppression gerichtete Widerstand auf eigene Strukturen der Skripturalität, insbesondere Verschlüsselungen elaborierter und komplizierter Art zurück. 52 Zu den Anfängen der Inquisition vgl. den wichtigen Band: Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, hg. von P. SEGL, Köln 1993; vgl. auch H. KAMEN, Inquisition, in:
Sprache
Deutsch
Identifikatoren
ISSN: 0044-2518
Titel-ID: cdi_proquest_journals_237264066
Format

Weiterführende Literatur

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