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Details

Autor(en) / Beteiligte
Titel
Kollegialität: Eine Ethnografie der Belegschaftskultur im Kaufhaus
Auflage
1
Ort / Verlag
Frankfurt am Main: Campus Frankfurt / New York
Erscheinungsjahr
2014
Link zum Volltext
Quelle
Alma/SFX Local Collection
Beschreibungen/Notizen
  • Angestellte im Einzelhandel stehen unter starkem Einsparungs- und Konkurrenzdruck. Welche Formen kollegialen Miteinanders können sich hier behaupten? Götz Bachmann beschreibt in seiner Ethnographie den Arbeits- und Pausenalltag weiblicher Kaufhausangestellter. In ihrem alltäglichen Kampf um gemeinsame Pausen und ihrem Umgang miteinander geraten die Frauen in Konflikte. Zugleich gelingt es ihnen, auch unter widrigen Umständen Achtsamkeit zu leben und Herrschaftsverhältnisse neu auszuformen. Inhaltsverzeichnis Inhalt Einleitung Teil I Die Empirie. 21 Der Geist der Gemeinschaft. 34 Zusammen arbeiten. 51 Der Chef als Patron . 66 Des Abends . 72 Integrierte Führerinnen. 83 Rosie. 91 Teil II Selbst- versus Fremdzwang?. 103 Quasi-Pausen. 111 Gesetze. 118 Pausen machen. 131 Bauchgefühle und Anstands-Prestige. 148 Beginnen und Beenden. 159 Gerechtigkeiten und Summenspiele. 169 Teil III Kaffee kaufen. 187 Verknüpfungen. 195 Zuckerdiebe. 209 Miteinander I. 221 Die Spannungen steigen. 239 Miteinander II . 258 Implosion. 269 Gewebe. 280 Danach und davor und danach. 302 Teil IV Das Knäuel: Zum Kulturellen und zum Ethos . 315 Gemeinschaftslöffel. 323 Herrschaftsstruktur I. 341 Plaudern. 357 Herrschaftsstruktur II. 374 Das erste Mal. 381 Herrschaftsstruktur III . 388 Schluss. 411 Literatur. 427 Auszug aus dem Text Einleitung Die Schwelle, die du siehst, ist ein Plastikteppich aus schwarzen Borsten. Über ihm eine Wand aus heißer Luft. Unter dem Teppich pustet ein Gebläse nach verbranntem Staub riechende Heizungsluft nach oben. Dahinter das Kaufhaus. Davor eine Fußgängerzone, die du aus westdeutschen Innenstädten kennst: Pflastersteine aus den 1970er Jahren, Nachkriegsarchitektur, Blumenstelen aus Beton, Bänke, auf denen Schüler und Rentner lungern und Junkies auf Dealer warten, die weißen Plastikstühle einer Eisdiele, ein Crêpe-Stand. Nebenan liegt Karstadt, der größte Konkurrent am Ort und im Gegensatz zum vor uns liegenden Kaufhaus auf kleinbürgerliche Eleganz bedacht. Ansonsten ist es hier alles aber ein wenig, als läge Bochum in Baden-Württemberg. Unser Kaufhaus ist das "Werti". Wenn du über die Schwelle trittst, siehst du zur Linken Wühltische einer "99 Pfennig Aktion" und zur Rechten einen Schmuckstand, der fein ziselierten Goldschmuck und Männerarmbanduhren mit Dutzenden nutzlosen Funktionen im Angebot hat. Dahinter steht eine Frau, von der du später wissen wirst, dass sie Petra heißt und, dass sie früher, als es die DDR noch gab, Psychiatriekrankenschwester war. Doch noch weißt du das nicht und wendest deinen Blick geradeaus. Zwei Kassiererinnen mittleren Alters sitzen an einer Doppelkasse. Muzak klingt aus versteckten Lautsprechern, die Luft ist trocken, Neonröhren beleuchten Damenunterwäsche und Gardinenstoffe. Rechts neben der in blasslila Furnierholz gekleideten "Information" führt dich eine Rolltreppe in das Kellergeschoss, zur Spielwaren- und der Schuhabteilung. Im hinteren Eck liegt die abgedunkelte Welt des Kaufhausrestaurants "Le Buffet." Du wirst sie wohl nicht betreten, zu eindeutig ist, dass hier vor allem Arbeitslose und verarmte Rentner ihre Stunden vor Kaffee in fünfeckigen Kaffeebechern auf braunen Plastiktabletts verbringen. Stattdessen durchquerst du das Untergeschoss und näherst dich einer zweiten Schwelle: Zwei Vorhänge aus dickem schwarzen Gummi, abgeschabt von vergitterten Absortierwagen. Dahinter ein Gang. Das Gebläse hängt nun frei von der Decke, der Beton liegt blank, und vielleicht wirst auch du, so wie ich damals, nicht umhin können, das Wort "Asbest" zu denken. Zwei Stahltüren öffnen sich, und ein Industrieaufzug nimmt dich rumpelnd nach oben, wo Lagerarbeiterinnen dabei sind, Kartons aufzureißen, Ware auszupreisen und auf Regale zu stapeln. Wir sind nun also im zweiten Stock, dem Lager. Aus diesem heraus führen zwei weitere Ausgänge - einer zur Rampe der LKWs, der andere in eine weitere Welt des Neonlichts. Ein langer Gang, ausgelegt mit grauem Linoleum, zur Linken gesäumt von Plastikschildern mit Slogans wie "Zehn Stunden ist der Dieb Aktivist, wenn du nicht immer wachsam bist - beobachte deine Umgebung!" ("Aktivist war ich auch früher", murmelte Frau Hebbel, eine ebenfalls aus der DDR stammende Verkäuferin, einmal im Vorbeigehen neben mir). Auf der rechten Seite des Gangs siehst du Türen zu Toiletten, Umkleideräumen, dem Betriebsratsbüro und einem weiteren Lager. Dann, kurz vor dem Verwaltungs- und Chefbüro und Personaleingang, eine letzte Schwelle. Über ihr befindet sich eine Holztür. Sie ist ge-, aber nicht verschlossen und versehen mit einem Fenster, vor dem zwei kleine Vorhänge hängen. Durch deren Schlitz siehst du Schwaden von Zigarettenqualm und dahinter einen mit einer geblümten Plastikdecke bedeckten Tisch, an dem 20 Personen Platz finden, und je nach Tageszeit auch eine mehr oder weniger große Gruppe von Frauen beieinandersitzt. Zumindest war das damals so. Was ich fand und was mir widerfuhr, nachdem ich diesen Raum betrat, ist der Ausgangspunkt dieser Arbeit. Die beiden Kaufhäuser Dies ist eine Ethnographie des kollegialen Miteinanders in zwei Filialen einer Kaufhauskette. Der empirische Schwerpunkt liegt dabei auf gemeinsam verbrachten Arbeitspausen der dort arbeitenden Kassiererinnen, Lagerarbeiterinnen und Verkäuferinnen. In den zwei Filialen verbrachte ich über vier Jahre hinweg in regelmäßigen Abständen Perioden von jeweils einigen Wochen. Die Feldforschung erstreckte sich von Anfang 1995 bis Ende 1998 und gehört damit in eine Zeit, in der die Regierenden Helmut Kohl und Bill Clinton hießen und die Kriegsschauplätze Bosnien und Algerien, in der es normal war, dass Telefone an der Wand hingen, und nicht verwunderlich, dass das Fernsehen seine Zuschauer über die Frage "Was ist das Internet?" informierte. Dass während der vierjährigen Feldforschungszeit der Onlinehändler Amazon an der US- amerikanischen Westküste seinen Umsatz von 0 auf 609.800.000 Dollar steigerte, war kein Grund zur Unruhe; die Auswirkungen der neoliberalen Beschleunigung kapitalistischer Prozesse waren in den beiden Filialen aber bereits damals deutlich zu spüren. Frauen im Einzelhandel waren also früh und stark von den Folgen eines Umbaus betroffen, der bis heute andauert. Die gemeinsame Pause gehörte zu den Kampfplätzen, war sie doch auf vielfältige Weisen herausgefordert. An vorderster Stelle stehen: Die zunehmende Arbeitsverdichtung im Einzelhandel, die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, die mit der Aushöhlung und anschließenden Novellierung des Ladenschlussgesetzes einherging und die sogenannte Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, die, wie fast überall im Einzelhandel und hier, dazu führte, dass immer größere Teile der Belegschaft heute als Pauschalkräfte, Angestellte von Fremdfirmen, Praktikanten, Geringbeschäftigte, "1 Euro-Jobber" oder Teilzeitkräfte arbeiten. Aus all diesen Gründen sind regelmäßig gemeinsam verbrachte Pausen im Einzelhandel heutzutage nur noch sehr selten. Die Filiale im Baden-Württembergischen Bergstadt, in der ich zwei Drittel meiner gesamten Feldforschungszeit verbrachte, hatte ich unter anderem auch deswegen ausgewählt, weil die dort Beschäftigten sich gegen den Verfall der gemeinsamen Pause gemeinsam wehrten. Im zweiten Betrieb, hier Sandhausen genannt und in Sachsen Anhalt gelegen, gab es gemeinsam verbrachte Pausen bereits zum Zeitpunkt des Beginns meiner dortigen Feldforschung fast nicht mehr. Allerdings fand ich hier eine Nische in einem separaten Gebäude, dem Lager dieses Kaufhauses, und dort verbrachte ich den Großteil meiner Zeit in Sandhausen. Doch auch wenn dieses Buch damit in gewisser Weise zum Genre der Ethnographien untergegangener Welten zu zählen ist, ist es dennoch keines über den Untergang. Vielmehr ist es der Versuch, von dem zu berichten und zu lernen, was die Frauen in den beiden Kaufhausfilialen damals miteinander geschaffen hatten. Auch aus diesem Grund ist die Arbeit in Teilen in Gegenwarts- und in Teilen in Vergangenheitsform geschrieben. Bereits in dieser Einleitung wechsle ich zwischen beiden Formen hin und her: Der Text begann in der Gegenwartsform, ging dann mit dem Satz "Zumindest war das damals so" in die Vergangenheitsform über und kehrt nun wieder zur Gegenwartsform zurück. Die Vergangenheitsform nutze ich im Folgenden nur ganz selten für das Genre des Lamentos. Vielmehr nutze ich sie für ein Schreiben aus dem Gestus des Berichtens heraus, denn in der Distanz zwischen damals und heute kann ich meine Verirrungen, Verwirrungen und Entscheidungen einfacher offenlegen. In einer zur Gänze in Vergangenheitsform geschriebenen Ethnographie allerdings würde ich mit jedem Satz auf das Ende hinweisen und damit auf einen scheinbar logischen und so unweigerlich gemachten Untergang. Das würde der Atmosphäre nicht gerecht, als all das quicklebendig war, und noch nicht feststand, dass es untergehen würde. Um also von einer Welt zu berichten, die zum Zeitpunkt ihrer Gegenwart gegenwärtiger und lebendiger ist, als alles, was ich in der damaligen Gegenwart kennenlernte, nutze ich im Folgenden den Präsenz. Forschungsfeld, Thema, Resonanzboden Ethnographien haben selten stabile explizite Fragestellungen. Dennoch brauchen sie natürlich Grenzen. Insbesondere Ethnographien der klassischen Phase sozial- und kulturanthropologischer.
Sprache
Deutsch
Identifikatoren
ISBN: 3593393778, 9783593393773
Titel-ID: cdi_proquest_ebookcentral_EBC1645098

Weiterführende Literatur

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