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Bauer werden: Zum agrarischen Paradigma in Wilhelm Raabes Stopfkuchen
Ist Teil von
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2024-03, Vol.98 (1), p.53-82
Ort / Verlag
Berlin/Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg
Erscheinungsjahr
2024
Link zum Volltext
Quelle
SpringerLink
Beschreibungen/Notizen
Zusammenfassung
Der Aufsatz stellt Wilhelm Raabes
Stopfkuchen
(1891) in den Kontext einer bürgerlichen Faszination für das Bäuerliche im 18. und 19. Jahrhundert und untersucht die Funktion agrarischer Existenz‑, Wirtschafts- und Wissensformen für den Roman sowie für die Lebenswege der beiden Protagonisten und Kindheitsfreunde Stopfkuchen und Eduard. Die ›Eroberung‹ des lokalen Bauernhofs »Rote Schanze«, der von Stopfkuchen einer neuen agrarindustriellen Bewirtschaftung zugeführt wurde, sowie die koloniale Aneignung und agrarische Nutzung fremden Landes in Südafrika durch den Auswanderer Eduard werden als zwei komplementäre Seiten
eines
agrar-ökonomischen Transformationsprozesses im 19. Jahrhundert lesbar gemacht, der durch die Kapitalisierung, Industrialisierung und Globalisierung der Landwirtschaft geprägt ist. In der unterschiedlichen Nutzung bzw. Ausbeutung des agrarischen Bodens und seiner Ressourcen (vertikal vs. horizontal, Ackerbau vs. Viehzucht) liegt zugleich ein soziales, existentielles und rechtliches Konfliktfeld verborgen, das den Roman durchzieht und einen – bislang in der Forschung unbeachteten – Schlüssel zu dem in ihm verhandelten Kriminalfall bereitstellt. In Raabes Roman wird die im nomos-Begriff etymologisch verbürgte Idee eines ›erdgebundenen‹ Rechts (C. Schmitt) aufgegriffen und vor dem Hintergrund der sozialökonomischen Umbrüche des ländlichen Raums im 19. Jahrhundert aktualisiert. Es ist der Ackerbauer und Hobby-Paläontologe Stopfkuchen, der dank eines spezifisch materialistischen Wissens vom Boden das agrarisch-irdische Maß des Rechts neu und folgenreich austariert.