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Zwischen Protest und Duldung. Deutungs- und Bewältigungsweisen von Ungerechtigkeit durch Inhaftierte des Jugendstrafvollzugs
Ist Teil von
Soziale Probleme (Zeitschrift. Internet), 2019-07, Vol.30 (1), p.47-79
Ort / Verlag
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Erscheinungsjahr
2019
Link zum Volltext
Quelle
Alma/SFX Local Collection
Beschreibungen/Notizen
Zusammenfassung
Der (Jugend‑)Strafvollzug ist eine rigide Institution: Die Tages- und Handlungsstrukturen sind minutiös durchgetaktet und werden von einer institutionellen Festschreibung auf eine gewünschte Identität grundiert, die durch die Anwendung eines differenzierten und sanktionsbewährten Regel- und Privilegiensystems zu erreichen versucht wird. Neben anderen Formen materieller sowie immaterieller Entbehrungen konfrontiert ein Freiheitsentzug die Inhaftierten mit der Notwendigkeit, sich in hierarchisch strukturierte Macht- und Kommunikationsbeziehungen einzufügen. Unter solchen Bedingungen erfahren wechselseitige Beobachtungen und Bewertungen – zwischen den Inhaftierten und dem Anstaltspersonal wie auch innerhalb der Gefangenengemeinschaft – eine gesteigerte Bedeutung: Nicht nur in Konfliktsituationen, sondern alltäglich stellt sich für Inhaftierte die Frage, ob die erfahrene Behandlung der eigenen Person als legitim oder ungerecht einzuordnen ist. Doch trotz der grundlagentheoretischen wie auch lebensweltlichen Relevanz von Unrechtsempfindungen in Haft hat sich die kriminologische sowie soziologische Forschung bislang nur unzureichend damit beschäftigt, in Erfahrung zu bringen, was (Jugend‑)Strafgefangene als ungerecht empfinden, was sie empört und wie diese Empörung von ihnen zum Ausdruck gebracht wird – oder auch nicht. Auf Basis eines 36 qualitative Interviews umfassenden Datenkorpus greift die vorliegende Studie dieses Desiderat auf und arbeitet vier unterschiedliche Muster der Deutung und Bewältigung der anstaltlichen Interaktionsordnung heraus: Im Zentrum des Deutungsschemas
Versagte lebensgeschichtliche Transformationswünsche
steht die Erfahrung, dass die durch den Freiheitsentzug geweckten Hoffnungen auf ein straffreies Leben nachhaltig enttäuscht werden, was die jungen Männer zu Praktiken verzweifelter Gegenwehr antreibt. Dahingegen erschöpfen sich die Deutungs- und Bewältigungsweisen im Muster
Anpassung an widrige Umstände
im persönlichen Rückzug sowie im Ausharren und Erdulden widriger Haftumstände. Während die zum Schema
Adressieren von Ungerechtigkeiten
zusammengefassten Inhaftierten erlebtes Unrecht aktiv und auf empirisch differente Weise angehen, zeigt sich im Schema
Verschieben sozialmoralischer Konfliktlinien
die entgegengesetzte Tendenz: Hier werden sozialmoralisch widrige Situationen des Vollzugsalltags von den jungen Männern plausibilisiert und legitimiert.